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Dr. Klaus Ramming - D Untersuchungsergebnisse bei der Vermittlung des Tastschreibens in der Unterstufe bei nichtdevianten und devianten Schülern, gewonnen bei Forschungsprojekten der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena in den Jahren 1998 – 1999 und 2002 – 2003 Intersteno Congress - Prague July 2007 |
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Gliederung1. Motivation –
Problemstellungen a) Fragestellungen c) Ausgewählte Ergebnisse 3. Zusammenfassung 4. Literatur 1. Motivation – Problemstellungen Schon lange vor den Pisa-Studien gab es Signale, dass das deutsche Schulwesen, was dessen Effektivität in Bezug auf Bildung und Erziehung angeht, internationalen Vergleichen nicht mehr standhält. Zuviel Mittelmaß wird erzeugt, eine wachsende Zahl von Schülern verlässt die Schule ohne befriedigende literale Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit der Muttersprache. Vor allem die Zahl der Schüler mit LRS nimmt über die Jahr nicht ab. Die Ineffektivität wird schon z. T. durch die Gestaltung der Stundentafel erzeugt. Spezielles Wissen und Können wie das Tastschreiben wird vorausgesetzt, in der Schule aber nicht vermittelt. Gymnasialschüler und in einigen Bundesländern auch Realschüler ab Klasse 7 erhalten Informatikunterricht, besitzen aber keine hinreichenden Fertigkeiten bei der Tastaturbedienung. Ein solcher Unterricht ist wenig produktiv, wenn der größte Teil der Unterrichtszeit für Tastatureingaben verbraucht wird. Eine Tastaturschulung ist in der Regel nicht vorgesehen. Schon in der Grundschule wird der Computer zunehmend als Arbeitsmedium verwendet, ohne dass die Schüler hinreichend in der Bedienung der Eingabegeräte geschult werden. Aufgrund der wachsenden Ausstattung der Haushalte mit Rechentechnik kommen die Schüler ebenfalls frühzeitig im Elternhaus mit dem Computer in Berührung. Wenn die Eltern ihre Kinder nicht für einen Kurs zum 10-Finger-Tastschreiben anmelden, eignen sich die Kinder einen individuellen Stil in der Tastaturbedienung an, der mit Sicherheit nicht regelgeleitet und uneffektiv ist. Das Tastschreiben war und ist bisher Domäne der Berufsschulen. Da die Schüler schon Jahre vorher mit dem Computer gearbeitet und gespielt haben, müssen sie in der Regel umlernen, wenn das regelgeleitete Tastschreiben in der Berufsschule vermittelt wird. Und das ist immer problembehaftet. Das Erlernen des Tastschreibens ist nicht nur der Erwerb einer wertvollen Fertigkeit. Immer wieder berichteten Praktiker, dass über das Erlernen des Tastschreibens hinaus, die Lernenden Zuwächse erfahren bei verschiedenen Persönlichkeits- und Leistungsvariablen. So überlegte sich ein Wissenschaftlerteam der Friedrich-Schiller-Universität Jena, ob mithilfe pädagogisch-psychologischer Untersuchungen bei der Vermittlung des Tastschreibens ein Beitrag geleistet werden könnte, um für die pädagogische Praxis Anregungen und Hilfestellungen liefern zu können, die dazu beitragen, der unbefriedigenden Situation gegenzusteuern. Untersuchungen auf diesem Gebiet waren auch aus wissenschaftlicher Sicht reizvoll, da Literaturrecherchen ergaben, dass es viele „weiße Flecken“ auf diesem Gebiet gab. Wir fanden Partner im Thüringer Kultus- und Wissenschaftsministerium, die unser Vorhaben nach Kräften unterstützten. 2. Wissenschaftliche Untersuchungen a) Fragestellungen Für die Durchführung eines wissenschaftlichen Feldexperiments stellten wir uns folgende Fragen: 1. Können Schüler und Förderschüler im Grundschulalter schon das 10-Finger-Tastschreiben erlernen? 2. Hängen die Lernerfolge von der verwendeten Lehr- und Lernmethodik ab? 3. Welche Leistungsparameter werden im Tastschreiben erreicht? 4. Fördert das Erlernen des Tastschreibens die Rechtschreibkompetenz? 5. Verbessert der Erwerb der Fertigkeit Tastschreiben konzentrative Fähigkeiten? In diesem Feldexperiment sollten mithilfe standardisierter und nichtstandardisierter Tests tausende empirische Daten erhoben werden, um die vorgenannten Fragen beantworten zu können. b) Untersuchungsdesign Für unser Vorhaben konnten wir eine Reihe Thüringer Grundschulen und eine Förderschule gewinnen. In dem ersten Projekt von 1998 bis 1999 waren über 200 Grundschüler und 50 Förderschüler eingebunden. Das zweite Projekt von 2002 bis 2003 diente der Replikation und Evaluierung der im ersten Projekt gewonnenen Ergebnisse. An diesem Projekt waren über 600 Grundschüler beteiligt. Die wissenschaftliche Untersuchung war als Interventionsstudie angelegt. D. h. die Untersuchungspopulation wurde per Zufall in Gruppen eingeteilt. In den Versuchsgruppen wurden die Schüler im Tastschreiben von ausgebildeten Lehrern unterrichtet. Die Kontrollgruppen erhielten keinen Tastschreibunterricht. Sie dienten als Vergleichsgruppen, ob die Intervention in den Versuchsgruppen auch statistisch nachweisbar ist. Als Zeitdauer der Intervention waren 60 Unterrichtsstunden veranschlagt. Diese Zahl an Unterrichtsstunden konnte bei den Förderschülern, die ausnahmslos Legastheniker waren, nicht realisiert werden. Aus organisatorischen Gründen konnten nur 40 Stunden absolviert werden. Die Versuchsgruppen selbst wurden noch einmal unterteilt. Sie erhielten Tastschreibunterricht nach verschiedenen Methodiken: - Tastschreibunterricht mit mentalem Training unter Zuhilfenahme verschiedener Lernmittel - Tastschreibunterricht nach herkömmlicher Methodik ohne mentales Training Der Begriff „mentales Training“ stammt aus der Arbeits- und Sportpsychologie. Er wird wie folgt definiert: Mentales Training ist die gedankliche Auseinandersetzung mit sensomotorischen Bewe-gungsvollzügen und den sie begleitenden Signalen. Beim mentalen Training werden Bewegungen nur geistig in verschiedenen Varianten durchgeführt, ohne sie zugleich praktisch zu realisieren. Mentales Training dient neben dem praktischen Training dem Erlernen und Optimieren von motorischen Fertigkeiten. so zum Beispiel beim Erlernen •des Tastaturaufbaus •der Finger-Tasten-Zuordnung • der Finger-Hand-Bewegungen Dazu haben wir spezielle Lernmittel entwickelt, mit deren Hilfe das mentale Training beim Vermitteln und Aneignen des 10-Finger-Tastschreibens eingesetzt werden kann. siehe Beispiel auf Folie: Der einjährige Versuchsablauf der Interventionsstudie folgte dem Lernfähigkeitskonzept von GUTHKE: In der Prätestphase wurden mithilfe verschiedener Tests diverse Ausgangsdaten erfasst: Rechtschreibleistungen, Lernmotivation, Konzentrationsfähigkeit usw. Dann folgte die einjährige Interventionsphase. In diesem Zeitraum erlernten die Versuchsgruppen das Tastschreiben. In der Regel erhielten die Schüler 2 Wochenstunden je 1 Stunde Unterricht, zumeist am frühen Nachmittag. Die Schüler waren angehalten nicht zu Hause zu üben, falls die Möglichkeit bestand. Während der Pädagogisierungsphase wurden von uns auch diverse Daten erhoben, vor allem was den Lernfortschritt betraf. In der Posttestphase wurden von uns die Abschlussdaten erhoben. Die Prätestdaten wurden dann statistisch unter Anwendung unterschiedlichster Testverfahren mit den Posttestdaten verglichen. Aus möglichen Unterschieden konnte dann gefolgert werden, ob die Intervention Wirkung zeigte oder nicht. In der Replikationsstudie 2002/2003 überprüften wir in erster Linie, ob die Schlussfolgerungen hinsichtlich der Rechtschreibleistungen aus dem ersten Experiment gerechtfertigt waren. c) Ausgewählte Ergebnisse 3. Zusammenfassung 1. Grundschüler und Förderschüler im Grundschulalter können relativ problemlos das Tastschreiben erlernen. Unüberwindliche biometrische Probleme waren nicht auszumachen. Als Ausbildungszeitraum sind wenigstens 60 Unterrichtsstunden anzusetzen. Die erreichte Geschwindigkeit bei der Texteingabe in die Tastatur war mindestens ebenso hoch wie beim handschriftlichen Schreiben. Die Schüler produzierten beim maschinenschriftlichen Schreiben weniger Fehler als beim handschriftlichen. 2. Der Einsatz mentalen Trainings ist eine methodische Bereicherung im Tastschreib-unterricht und fördert den Lernprozess: - es beschleunigt den Lernprozess - Mentales Training entlastet die Schüler von ermüdenden Wiederholungsübungen, - wirkt motivierend wegen der Erweiterung der Methodenvielfalt, - erzeugt ebenso Lerneffekte wie praktisches Training - übt psychoregulative Wirkungen aus und - reichert den Unterricht intellektuell an und somit werden auch unterschiedliche Lerntypen angesprochen. 3. Das Erlernen des Tastschreibens bewirkt eine deutliche Verbesserung der Recht- schreibleistungen bei schwachen Rechtschreibern und speziell bei legasthenen Schülern, auch ohne dass spezielle Rechtschreibübungen durchgeführt werden. Insbesondere verringern sich so genannte logographemische Fehler, wie sie auf einer frühen Stufe des Schriftspracherwerbs häufig produziert werden: - Verwechslungen - Umstellungen - Auslassung von Buchstaben - Auslassung von Konsonantengruppen - Hinzufügung von Buchstaben 4. Das Erlernen des Tastschreibens setzt einen zusätzlichen Reiz für die Entwicklung konzentrativer Fähigkeiten. Die computergestützte Befassung mit der Schriftsprache befördert nicht nur die kognitiven Prozesse der Schriftsprachverarbeitung, sondern auch die integrierenden und stützenden Kontrollhandlungen, welche das Konzentrationsvermögen letztlich auszeichnen. Besonders deutlich wird dieser Effekt bei ausgesprochen konzentrationsschwachen Schülern. 4. Literatur Ramming, K., Scholz, G. (2000). Mentales Training beim Erlernen des Tastschreibens im Grundschulalter, Unveröffentlichte Studie, Jena: Friedrich-Schiller-Universität, Institut für Erziehungswissenschaften. Weiß, A. (2000). Computertastaturschreiben und Mentales Training: Eine Untersuchung zur Wirkung auf die Konzentrationsfähigkeit lese- rechtschreibschwacher Schüler. Unveröffentlchte Diplomarbeit. Jena: Friedrich-Schiller-Universität, Institut für Erziehungswissenschaften. Tischendorf, K. (2000). Computertastaturschreiben und Mentales Training. Unveröffentlchte Diplomarbeit. Jena: Friedrich-Schiller-Universität, Institut für Erziehungswissenschaften. Ramming, K., Scholz, G. (2004). Ergebnisbericht zum Projekt: Erlernen des Tastschreibens mittels mentalen Trainings in der Grundschule. Jena: Friedrich-Schiller-Universität, Institut für Erziehungswissenschaften. |
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